Die Wandmosaiken an der Schule in Salzkotten-Scharmede
Heinrich Bergmann, Heinz Josef Claus
Die Wandmosaiken an der Schule in Salzkotten-Scharmede
Zusammenfassung
Die beiden Wandbilder an der Grundschule in Scharmede (Bahnhofstr.13, 33154 Salzkotten) sind typische Mosaiken im Stil der 50er und 60er Jahre. Rudolf Morche aus Gießen schuf im Jahre 1959 ein monumentales Christophorusbild für die Südseite der Schule und das sogenannte Brunnenmosaik in der Pausenhalle. Die Akzeptanz zeigte sich in der spontanen Aufnahme des Christophorus in den neuen Schulnamen noch im gleichen Jahr. Bei einer energetischen Sanierung im Jahre 2009 konnte die ursprünglich angedachte Überklebung des Christophorusmosaiks vermieden werden. Damit werden beide Mosaiken in diesem Jahr 60 Jahre alt.
Abstract
The two murals at the primary school in Scharmede (Bahnhofstr. 13, 33154 Salzkotten) are typical mosaics in the style of the 50s and 60s. Rudolf Morche from Giessen created a monument picture of Saint Christopher for the southside of the school and the so-called fountain mosaic in the school’s recreational area in 1959. Obviously motifs from two different mosaics were put together in one work. Acceptence was evident in the spontaneous inclusion of the saint’s name in the new school name that the same year. During an energetic renovation in 2009, the originally intended pasting of the mosaic of Saint Chritopher could be avoided. As a result mosaics will turn 60 this year.
Die Mosaiken und ihr Künstler
Die Einweihung eines neuen Schulgebäudes in dem Dorf Scharmede, etwa 8 Kilometer westlich der ostwestfälischen Bischofsstadt Paderborn geschieht nicht ohne Bezug zu einer christlichen Namensgebung. In Scharmede hieß die Volksschule, die am 19. September 1959 feierlich eingeweiht wurde, „Christophorus-Schule“. Ein großes 5,73 Meter hohes, farbiges Mosaik schmückt die rechte Südwand dieser Schule, welches in sehr mächtiger Weise den heiligen Christophorus darstellt, wie er durch das Wasser watet, gestützt durch einen Baumstamm, das Jesuskind auf seiner linken Schulter frei sitzend. (Abb. 1)
Ebenso befindet sich in der Pausenhalle, die sich zum Schulhof hin weit öffnet, ein buntes Mosaik, auf dem spielende Kinder in der Natur und im Wasser zu sehen sind. (Abb. 2) Dieses Pausenhofmosaik umschließt einen Trinkbrunnen, aus dem die Schulkinder während der Pause mithilfe eines quellähnlichen Wasserspenders trinken konnten.
Der Künstler dieses Christophorusmosaiks und des Brunnenmosaiks heißt Rudolf Morche (1912-1997).
Er hat mit dem Architekten dieser Schule, Josef Gees, sehr eng zusammen gearbeitet. Die Recherchen ergeben, dass das Christophorusmotiv von unterschiedlicher Herkunft sein kann, wie etwa die Ansicht einer Christophorusplakette am Armaturenbrett eines Autos. Wie der Architekt Josef Gees mit dem Künstler Rudolf Morche zusammenkam, ist nur zu vermuten.
Frau Uta Meixner, die noch lebende Tochter ihres Vaters Rudolf Morche, berichtet über das Leben ihres Vaters:
„Mein Vater ist 1912 im Sudetenland geboren und in unserer Nähe (bei Jülich / Aachen)1997 in einem Pflegeheim gestorben. Seine breite künstlerische Ausbildung erfuhr er während des Studiums an der Staats-Kunstgewerbeschule in Prag von 1935 bis 1938. Aus seinen späteren Erzählungen wissen wir, dass er dort als Abschlussarbeit ein Mosaik gefertigt hat, das bei seinem Professor Kysela großes Lob fand. Der Krieg unterbrach seinen weiteren Werdegang. Anfang 1940 wurde er eingezogen und geriet am Ende des Krieges in russische Gefangenschaft. Das Leben als Kriegsgefangener konnte er sich durch seine künstlerischen Fähigkeiten wenigstens etwas erleichtern, indem er Porträtbilder in Öl für seine Aufpasser malte. Seine Familie war inzwischen (1946) aus dem Sudetenland vertrieben worden und in Ober-Bessingen im Kreis Gießen gelandet. Dorthin kehrte auch mein Vater Ende 1949 aus Russland zurück. Sein erstes Ziel war zunächst, eine Arbeit zu finden, um die Familie zu ernähren. Als Maler und Graphiker wurde er bei einer Autolackiererei angestellt, wo er die Werbeflächen und Beschriftungen auf Lieferwagen entwarf. Daneben übernahm er mehr und mehr Aufträge im graphischen Bereich und auch für Wandbilder. Wegen der Nähe zur keramischen Industrie in Gießen fertigte mein Vater zunächst seine Mosaiken aus keramischem Material. Später benutzte er hochwertiges Glas, das ihm eine viel größere Farbpalette und –brillanz ermöglichte. Mit größerer Bekanntheit seiner Arbeiten machte er sich dann selbständig. … Wenn Sie die Wandbilder betrachten, so erkennen Sie seinen eigenen Stil. Die Mosaiken erscheinen wie ein Gemälde, weil sich die einzelnen Steine in Größe, Form und Richtung an das dargestellte Objekt anpassen. Typisch sind die abstrakten Darstellungen von Menschen, Tieren etc. … Er hätte sich nie als großen Künstler bezeichnet. Zu diesem Ziel hatte ihm der Krieg 10 wichtige Jahre genommen.“
Viele Beispiele für Kunst am Bau, vor allem in Süddeutschland, sind von R. Morche erhalten: Ein Pferdemosaik an der Außenwand eines Sanatoriums in Badenweiler, ein Mosaik „Rehe“ an einer Hauswand, die Kreuzgruppe in der Friedhofskapelle in Wißmar bei Gießen, im Rathaus der ostwestfälischen Stadt Lügde – Wandmosaiken über das Thema „Osterräderlauf in Lügde“, ein Mosaik im Treppenhaus der Volksschule Neckargemünd, Mosaiken in der Brauerei Härle Königseggwald, wie auch viele weitere Arbeiten.(Fachzeitschrift „Keramik am Bau“, ohne Jg.)
Einige Zitate aus einem Aufsatz des Künstlers Rudolf Morche in der oben genannten Fachzeitschrift zum Thema „Mosaiken“ mögen sein Verständnis über die Mosaikkunst erhellen:
„Mosaik, eine malerische Bildtechnik von unvergänglicher Schönheit. So wie das Bild heute an die Wand gebracht wird, so bleibt es bestehen, da sein Material keiner Veränderung unterliegt. Schon vor mehr als zweitausend Jahren schufen die Künstler Nebukadnezars Mosaiken, die Griechen und Römer folgten ihnen und entwickelten das Mosaik sowohl technisch als auch künstlerisch weiter, ja brachten es zu hoher Vollendung. Man verwendete gebrannten Ton, Natursteine und auch farbige Glasflüsse und schuf umgrenzte Wandbilder oder schmückte Böden…“ Weiterhin bezieht er sich auf die frühchristliche Zeit und verweist auf die großen Mosaiken in Kirchenbauten. „Große Darstellungen schmücken die Apsiden der nun entstehenden großen Kirchenbauten. Die Mosaiken in Ravenna bedecken Wände, Bögen, Kuppeln und Gewölbe und verleihen diesen Kirchen einen unvergleichlichen Zauber“.
Er verweist auf die äußerst großen Anwendungsmöglichkeiten in modernen Kirchenbauten. In Profanbauten, wie öffentlichen Bauten oder Privathäusern unterstreiche das Mosaik „den gestalterischen Gedanken des Architekten“. Aber auch „der Zweck des Gebäudes“ könne so hervorgehoben werden. Weiterhin könne das Mosaik etwas über die Menschen aussagen, die das Haus bewohnen. „Ob nun das Bild aus diesem oder jenem Material geschaffen wird, ob es groß ist oder klein, stets verlangt es vom Künstler ein Eingehen auf die Besonderheiten des harten und spröden Werkstoffes. Es zwingt ihn zu einfachster Form, zu weitgehender Abstraction. Gerade deshalb ist es zum Schmuck unserer modernen Architektur wie geschaffen. … Das moderne Mosaik verwendet die einzelnen Steine in weit größerer Unregelmäßigkeit, (Abb. 3) möglichst große Stücke werden neben kleine und kleinste Stücke gesetzt, um ein lebendiges Fugenbild zu erhalten. Die keramischen Materialien geben dem Künstler durch ihre Verschiedenartigkeit die besten Möglichkeiten. Sie lassen sich sehr gut verarbeiten, da sie gut zu schneiden, brechen oder schlagen sind. … Da seine Farben nicht bleichen oder nachdunkeln und sein Material nicht zerfällt, überdauert ein Mosaik die Zeiten und erstrahlt noch in ferner Zukunft in der gleichen Schönheit wie am ersten Tage.“ (Morche o.J.:24 f.)
Warum sollte man einer Volksschule den Namen Christophorusschule geben? Im volkstümlichen Sinne wird der Christophorus als Schutzheiliger für die Reisenden angesehen. Vielleicht aber hat der Architekt sein Augenmerk auf das Kind gelenkt, welches auf der linken Schulter dieses so mächtigen Riesen sitzt. Es ist, wie die Legende sagt, das Jesuskind. Eine mögliche Forderung und Deutung dieser Legende wäre: – Dem Kinde dienen – und sei es noch so schwer oder schwierig, es durch alle Gefahren tragen und begleiten.
Aus den Ansprachen des anwesenden Pfarrvikars Wilhelm Ibers und dem Landrat Heinrich Wilper während dieser Einweihungsfeier kann zitiert werden: „Gottes Segen setzt voraus den Dienst und die Dienstbereitschaft des Menschen.“
(Claus: 2009 16)
„Haben Sie doch in dem Bild, das die Eingangswand ziert, die Wand zur Front, zur Straße schmückt, Christophorus dargestellt, wie er seinen Gott trägt. „Zuerst gehörst du deinem Gotte. Das soll doch der Sinn sein, der in diesem Hause den Kindern gegeben wird.“ (Claus 2009: 11)
Wenn wir heute unsere Kirchen und Kathedralen besuchen, so können wir den heiligen Christophorus häufig am Ausgangsportal des Kirchengebäudes (s. Hoher Dom zu Paderborn) oder an Außenwänden entsprechender sakraler Bauwerke finden. Er möge somit den Menschen auf seinem Weg vor jeglichen Gefahren schützen. Insbesondere sollte im Mittelalter der Mensch vor plötzlichem Tod bewahrt werden.
Dass dieser Heilige, der Ursprung einer mittelalterlichen Legende und als Leitmotiv oder als sinngebendes Mosaik an einem Schulgebäude zu finden ist, hat sicherlich auch etwas mit seiner Rezeptionsgeschichte über die Jahrhunderte hinweg zu tun. Es wäre u.a. zu fragen, ob man nach der neuen Sichtweise auf den Christophorus durch das II. Vatikanische Konzil die gleiche Entscheidung für die Namensgebung dieser Schule getroffen hätte.
Das Wandmosaik
Betrachtet man das Mosaik des heiligen Christophorus, so steht im Mittelpunkt die Farbgebung des Gewandes, die Farbe Rot. (Abb.4) Sie könnte auf Martyrium und den Tod dieses Heiligen hinweisen. Ebenso fasst dieser Christophorus das Kind, das auf seiner linken Schulter sitzt, nicht schützend an. Insofern geschieht dieses Getragen-Werden auch für den modernen Menschen und nicht nur für das Kind als Schutz vor drohenden Gefahren auf einem schwierigen Lebensweg als symbolische Handlung: Der Mensch vertraut auf den Schutz dieses Heiligen, der das Jesuskind durch den reißenden Fluss getragen hat. Dieser reißende Fluss ist ebenso auch ein Synonym in seiner auch mythologischen Bedeutung für den „Fluss des Lebens“.
Rudolf Morche zeigt eine Christophorusfigur, die kraftvoll gegen die Macht der Natur angeht, sich mit aller Macht den Gefahren des Lebens widersetzt. Diese über alle Kräfte hinausragende Bewegung in der Darstellung dieses Mosaiks ist deutlich erkennbar.
Planung und Realisierung
Durch Flucht und Vertreibung war nach dem 2. Weltkrieg die Bevölkerung Scharmedes stark gewachsen. Dadurch war auch das Schulgebäude von 1892, das mehrfach erweitert worden war, für den Unterricht zu klein geworden. Weitere Baumaßnahmen an gleicher Stelle waren nicht möglich. Im Juni 1955 wurde erstmals in einer Sitzung des Gemeinderates ein Neubau angeregt, da „der jetzige Bau mit den 3 Klassenräumen für 5 Klassen nicht ausreicht. Der Schulunterricht geht in Schichten von morgens um 8 Uhr bis abends um 18 Uhr.“ (Ortschronik Bd. 2: 150) Nach der Anerkennung des Baubedürfnisses durch die Bezirksregierung in Detmold beauftragte die Gemeindevertretung den ortsansässigen Architekten Josef Gees, der auch Ratsmitglied war, mit der Bauplanung und der Bauaufsicht. Josef Gees hat durch seine öffentlichen und privaten Bauten das Erscheinungsbild Scharmedes in der Nachkriegszeit entscheidend geprägt. Neben der neuen Volksschule hat er das Feuerwehrgerätehaus, die Friedhofskapelle und die meisten der neuen Siedlungshäuser geplant. Nach dem Erwerb eines neuen Schulgrundstücks an der Bahnhofstraße konnten im Oktober 1957 die Bauarbeiten beginnen.
Initiator der Außengestaltung mit Mosaiken war der Architekt. „Die Idee des Christophorusbildes stammt vom hiesigen Architekten Gees, der bei einer Omnibusfahrt des Sportvereins vorn im Bus die Christophorusplakette entdeckte.
Sofort durchzuckte ihn der Gedanke: Das wäre etwas für unsere Schule. Vom Gedanken bis zur Ausführung war es zwar ein weiter Weg, doch wurde er beschritten.“ (Gemeindechronik Bd. 2: 253)
In einer Gemeinderatssitzung im Januar 1959 informierte Josef Gees über die Auflage der Bezirksregierung, 2,3 % der Baukosten für „künstlerische Arbeiten“ aufzuwenden. Gleichzeitig legte er ein Angebot vor, das der „Maler und Graphiker Rudolf Morche in Gießen“ (Sammlung Eikel: Protokoll 13.01.1959) erstellt hatte. Dieses Angebot in Höhe von 4.850 DM sah ursprünglich drei getrennte Mosaiken an dem zweistöckigen Neubau mit L-förmigem Grundriss vor: an der Südseite das Bild des hl. Christophorus, an der Westseite ein Bild mit einer Gruppe spielender Kinder und in der Pausenhalle ein Brunnenbild mit Motiven aus dem Tierleben. Das Mosaik an der Westwand wurde nicht realisiert, vielmehr wurden dort geplante Motive in das Brunnenbild integriert. Hier scheint es wieder der Architekt selbst gewesen zu sein, der die Entscheidungen vorbereitete. Er reiste mehrfach nach Gießen, wo Rudolf Morche am Wiesecker Weg sein Atelier hatte. Zwei Monate später legte er den endgültigen Entwurf Morches im Maßstab 1:10 vor und wies auf weitere Kosten hin, die für die Anbringung durch Fliesenleger entstehen würden. Das Protokoll der Sitzung vermerkt geteilte Zustimmung bei den Mitgliedern des Gemeinderates: „Gegen Form und Farbgestaltung des Bildes werden nennenswerte Einwendungen nicht erhoben. Wegen evtl. kleiner Änderungen (Kopfgestaltung) soll Architekt Gees mit dem Künstler nochmals Rücksprache nehmen.“ (Sammlung Eikel: Protokoll 20.03.1959)
Die Teilelemente aus Mosaiksteinen, die Rudolf Morche aus Produkten der Gail‘schen Tonwerke AG in Gießen vorbereitete, wurden zur Anbringung durch örtliche Bauhandwerker angeliefert. In einer zwei Jahre später vorgelegten ersten Schlussabrechnung fehlt ein Hinweis auf den ausführenden Betrieb, da hier nur pauschal die Gesamtkosten von 6.803 DM für „Künstlerische Arbeiten“ genannt wurden. (Sammlung Eikel: Protokoll 13.03.1961) Erst in einer späteren Aufstellung des Jahres (Stadtarchiv Salzkotten, Bauakten) ist die Firma Philipp Evers in Büren angegeben. (Abb. 5) Nach Auskunft der heutigen Geschäftsleitung wurden die Mosaiken durch italienische Gastarbeiter verlegt. Die Arbeiten am Christophorusmosaik wurden im Laufe des Sommers 1959 fertig gestellt. Zu dieser Zeit sind erste Überlegungen überliefert, die Schule „Christophorus-Schule“ zu nennen. Bei der Einweihung am 19. September 1959 waren beide Mosaiken Rudolf Morches vorhanden.
Die Katholische Volksschule Scharmede war jedoch offiziell noch namenlos.
Akzeptanz und Erhaltung
In der Einweihungsfeier erwähnten nur zwei der sechs Festredner die Mosaiken. Der Landrat des Kreises Büren Heinrich Wilper (CDU) und der Scharmeder Pfarrvikar Wilhelm Ibers gingen unter unterschiedlichen religiösen Gesichtspunkten auf den hl. Christophorus ein. Die Namensgebung wurde an keiner Stelle genannt. (Claus:2009) Das gilt auch für die Berichte der lokalen Tageszeitungen, die der Gemeindechronik und der Schulchronik beigefügt sind. Sie würdigen die neuen Mosaiken, ohne die Neubenennung der Schule als Christophorus-Schule zu erwähnen: „Das Erdgeschoß ziert die überdachte Pausenhalle mit einem geschmackvollen Mosaikrelief und Brunnen. Ein zweites Relief, das St. Christophorus darstellt, befindet sich an der Außenseite des Schulneubaues zur Bahnhofstraße.“ (Westfälisches Volksblatt, 21.09.1959)
Die Zurückhaltung bei der Erwähnung der Namensgebung für die Schule ist unverständlich, denn es wurde seit Monaten über einen neuen Schulnamen diskutiert. Nachdem das Christophorusmosaik im Sommer 1959 angebracht worden war,gab es eine Anregung der Schüler. „Die Kinder des 8. Jahrgangs machten dann, als die bezogen war, den Vorschlag die Kath. Volksschule Christophorus-Schule zu benennen. Dieser Vorschlag wurde von der Schulleitung aufgegriffen und an den Gemeinderat weitergeleitet.“ (Schulchronik: 1961/62). Der Chronist wurde für die im Rückblick eingefügte Erklärung offensichtlich falsch informiert, denn der Vorschlag erfolgte bereits, bevor die Schule bezogen war. Am 17. Juli 1959 wurde im Gemeinderat eine Namensgebung für die Schule behandelt: „Zum Schluß der Sitzung wurde von einem Gemeinderatsmitglied der Vorschlag gemacht, die neue Schule nicht wie bisher „Katholische Volksschule Scharmede‘ zu nennen, sondern ihr einen besonderen Namen zu verleihen. Dabei fiel die Bezeichnung ‚Christophorusschule‘, ein Bild ist bekanntlich an der Außenfront der Schule angebracht. Ein Beschluß über diesen Vorschlag kam noch nicht zustande.“ (Schulchronik 1959, Zeitungsbericht). Am 13. September, nur wenige Tage vor der Einweihungsfeier, unterzeichneten alle Mitglieder des Gemeinderates die folgende Erklärung. „Ich erkläre hiermit, daß ich mit dem Vorschlag der Kinder und der Lehrerschaft, die neue Schule als Christophorus-Schule zu benennen, einverstanden bin.“ (StadtA Salzkotten, D 3068)
Nach der Einweihungsfeier wurde die Namensgebung bald und wohl auch übereilt vollzogen. Vier Wochen später zeigt das Schulsiegel der Halbjahreszeugnisse die Umschrift „ Christophorus-Schule – Scharmede, Kr. Büren i. Westfalen“. Es dürfte bald ein Eingreifen der vorgesetzten Schulbehörde gegeben haben, denn auf dem neuen Dienstsiegel fehlte die Angabe der Schulform und der Schulart. Bei der Entlassungsfeier des Jahres 1960 konnten die Schüler Zeugnisse mit der korrekten Siegelumschrift „Christophorus-Schule (Kath. Volksschule) – Scharmede, Krs. Büren i. Westf.“ entgegennehmen.
In den folgenden Jahren sind die Mosaiken zur Selbstverständlichkeit geworden. Immer wieder tauchte das Christophorusmosaik bei Berichten über schulische Ereignisse in der Lokalpresse auf. Auch die üblichen Fotos am Tage der Schulentlassung, die vor der Schule mit dem Christophorusmosaik im Hintergrund gemacht wurden, zeigen eine selbstverständliche Identifikation mit dem Namensgeber. (Abb. 6) Als im Rahmen der Schulreform des Jahres 1968 die Volksschulen aufgelöst wurden, verblieben ab 1969 nur die Schülerjahrgänge 1 bis 4 in Scharmede. Die neue Katholische Grundschule Scharmede führte den Namen „Christophorusschule“ weiter.
Am Ende der 80er Jahre gab es eine Veränderung im Bereich des Brunnenmosaiks in der offenen Pausenhalle. Aus hygienischen Gründen wurde die Trinkwasserzufuhr gesperrt und gleichzeitig das Brunnenbecken mit Steinen geschlossen. Eine größere Entscheidung stand zwei Jahrzehnte später an, als 50 Jahre nach der Errichtung der Schule größere Renovierungsarbeiten durchgeführt wurden. Im Rahmen einer energetischen Sanierung erhielt das Gebäude eine 16 cm starke Außendämmung, die auch das Fortbestehen des Christophorusmosaiks betraf. Nach reiflicher Überlegung wurde ein Kompromiss gefunden, der Wärmeverluste an dieser Stelle in Kauf nahm. Die Außenhülle wurde im Bereich des Mosaiks in einem vier Meter breiten vertikalen Streifen unterbrochen. Die energetischen Nachteile wurden durch eine Innendämmung der Wand teilweise ausgeglichen.
Als das Schulgebäude 1959 am südlichen Siedlungsrand des Dorfes errichtet wurde, war die gegenüberliegende Straßenseite kaum bebaut. Das Christophorusmosaik Rudolf Morches war eine weithin sichtbare Wegmarke, wenn man sich von Süden dem Dorf Scharmede näherte. Im Jahre 2019, nach genau 60 Jahren, hat sich durch die Bebauung dieser Blick verändert. Verändert hat sich auch der Name der Grundschule, denn seit dem 1. August 2016 wurden zwei Nachbarschulen unter der Bezeichnung „Grundschulverbund Scharmede-Thüle“ zusammengeschlossen. Den Namen „Christophorusschule“ trägt nur noch das Schulgebäude am „Standort Scharmede“.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellen:
Chronik der Gemeinde Scharmede, Bd. 2
Chronik der Volksschule Scharmede, Bd. 1 (ohne Seitenzahlen)
Chronik der Volksschule Scharmede, Bd. 2 (ab 1969 Grundschule, ohne Seitenangaben)
Stadtarchiv (StadtA) Salzkotten, Bestand D
Archiv des Bürger- und Heimatvereins Scharmede e.V.
Sammlung Gerhard Eikel, Salzkotten-Scharmede
Schriftverkehr mit Fr. Uta Meixner, Tochter des Mosaikünstlers
Literatur:
Tönsmeyer, J. (1968): Scharmede. – In: Amtsverwaltung Salzkotten (Hg.): Das Lippeamt Boke. – Rheine.
Kohlenberg, H. (1979): Scharmede – ein Heimatbuch. – Salzkotten.
Bürger- und Heimatverein Scharmede e.V., Hrsg. (2014): 1000 Jahre Scharmede. Geschichten unserer Heimat. – Scharmede.
Morche, R. (o.J.): Mosaiken. In: Werbestelle der Keramischen Wand- und Bodenfliesen-Industrie: Kunst am Bau. Heft 4/VII. Gießen.
Claus, Heinz J. (2009): Schuleinweihung 1959. Transkription der Textbeiträge.
(Tonbandmitschnitt der Einweihungsfeier, aufgenommen durch Paul Richter, im Archiv des Bürger- und Heimatvereins)
Abbildungen
Abb. 1: Christophorusmosaik (Südseite der Schule). Foto: Philipp Sasse
Abb. 2: Brunnenmosaik(Pausenhalle).Foto: Philipp Sasse
Abb. 3: Brunnenmosaik (Detail). Foto: Philipp Sasse
Abb. 4: Christophorusmosaik (Detail).Foto: Philipp Sasse
Abb. 5: Auszug aus der Schlussabrechnung (StadtA Salzkotten, Schulbauakte)
Abb. 6: Jahrgang 1961 am Tag der Schulentlassung. (Schulchronik Bd. 2)
Anhang:
Zusammenfassung in englischer Sprache (s. Textbeginn)
The two murals at the primary school in Scharmede (Bahnhofstr.13, 33154 Salzkotten) are typical mosaics in the style of the 50s and 60s. Rudolf Morche from Giessen created a monumental Christophorus-picture for the southside of the school and the so-called fountainmosaic in the pause hall in 1959. Obviously motifs from two different mosaics were put together in one work. Acceptance was evident in the spontaneous inclusion of Christophorus in the new schoolname in the same year. During an energetic renovation in 2009, the originally intended pasting of the Christophorus mosaic could be avoided. There by both mosaics will be 60 years old this year.